Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Weiteres

Login für Redakteure

Eröffnungsrede Semesterbeginn

Liebe Kommilitonen und Kommilitoninnen!

Herzlich willkommen bei Juris- Reisen, Halle! Entdecken Sie mit uns die Welt des Rechts! Wir freuen uns, dass Sie sich für uns entschieden haben!

steinigelandschaft

steinigelandschaft

Viele von Ihnen werden zwiespältige Empfindungen hegen. Was kommt da auf mich zu? Werde ich es bis zum Examen schaffen? Wie soll ich bloß diese riesige Stoffmenge bewältigen? Dieses Gefühl wird noch eine Zeitlang anhalten. Am Beginn des Studiums kommt man sich wie in einer kargen Landschaft vor, und aller Anfang ist steinig. So ist das eben.

Aber, wie Sie sehen können, die edelsten Reben gedeihen am besten auf einem kargen Boden. Und Sie sind ja nicht allein. Es begleitet Sie ein bewährtes Team von ausgezeichneten Reiseleiterinnen und Reiseleitern – angefangen von unserer Organisationschefin Frau Dr. Schubert und dem Dekanat bis hin zu den Kolleginnen und Kollegen, die sie in die einzelnen Rechtsgebiete einführen werden.

Und mit etwas öffentlich-rechtlichem Dünger, etwas zivilrechtlichem Sonnenschein und etwas strafrechtlichem Rebenschnitt werden Sie bald die ersten Trauben ernten können.

Wir können Ihnen manche Wege durch die Welt des Rechts zeigen. Laufen müssen Sie allerdings selbst. Aber das heißt nicht, dass Sie sich allein auf den Weg machen müssen. „Lonesome Traveller Tours“ stehen nicht in unserem Programm. Deshalb sollte auch Ihre bevorzugte Arbeitsumgebung die Lerngruppe sein. Recht hat etwas mit Recht haben und Recht bekommen zu tun – also mit Streiten. Und Streit ist Kommunikation. Recht ist ein kommunikatives Fach. Unser Medium ist die Sprache. Sie müssen lernen, sich präzise auszudrücken. Vor Gericht – aber auch schon viel früher im mündlichen Examen – müssen Sie auftreten und Ihr Argumentationsgeschick beweisen. Die zwei Stunden Rhetorik, die Sie als sogenannte „soft skills“ absolvieren müssen, genügen da sicher nicht. Und durch das sture Einpauken von Lösungen und herrschenden Auffassungen entwickelt man Argumentationskultur schon gleich gar nicht. Wo lernt man leichter das Streiten und wo macht es mehr Spaß, wenn nicht in einer Gruppe von Gleichgesinnten. Auf diese Weise können Sie auch die Anonymität durchbrechen, die man dem Fach Jura als Massenstudium oft nachsagt. Ihre erste Hausaufgabe lautet: Bis Ende Oktober habe ich meine Arbeitsgruppe gefunden!

Bei alldem Streiten und Diskutieren besteht natürlich die Gefahr, sich in den engen Gassen der widerstreitenden Meinungen zu verlieren. Darin liegt eine Schwierigkeit, die Studienanfänger häufig haben. Recht funktioniert nicht nach der Formel: 1 + 1 = 2. „Drei Juristen, fünf Meinungen.“ Das heißt: Mag es auch die einzig richtige Lösung eines Falles geben, wir wissen sie nicht und keiner kann von sich behaupten, im Besitz der ewigen Wahrheit zu sein. Diese Erfahrung werden Sie in Ihren Lehrveranstaltungen häufig machen. Der Dozent sagt a, im Lehrbuch steht b und der Kollege plädiert für c, weil er die anderen Ansichten für abwegig hält. Für Sie bedeutet das: Sie müssen lernen, sich Ihren eigenen Standpunkt zu erarbeiten. Sie dürfen Ihrem Hochschullehrer widersprechen, ja, wir bitten Sie sogar dringend darum. Am Anfang mag Sie das etwas überfordern, aber bedenken Sie: welche Freiheit? Sie sind nicht mehr in das enge Korsett eingebunden, das Ihnen andere vorgeben. Sie müssen nicht mehr Vorgekautes herunterwürgen, Sie dürfen selber essen und genießen! Viele Wege führen auf die Piazza – werden Sie selbständig!

Im Zentrum der mittelalterlichen Stadt stand der Dom. Im Zentrum der Jurisprudenz steht das Gesetz – wobei ich die Metapher nicht weiter verfolgen und fragen will, inwieweit das geltende Recht eine Emanation der – göttlichen (?) – Gerechtigkeit darstellt, oder nicht. Damit können wir morgen in der Rechtsphilosophie fortfahren. Wir werden Sie lehren, wie man mit der Reisekarte durch die Welt des Rechts umgeht, wie man mit dem Gesetz arbeitet und was man alles damit „er – finden“ kann.

Juris-Reisen bietet Ihnen die Möglichkeit, Ihre eigenen Entdeckungen zu machen. Wie wäre es mit einer Turmbesteigung? In diesem Sinne werden Sie bereits durch die neue Juristenausbildung aufgefordert, eigene Schwerpunkte in Ihrem Studium zu setzen. Mancher liebt Mord und Totschlag – der ist im Strafrecht richtig aufgehoben. Das soziale Gewissen kann im Arbeits- und Sozialrecht befriedigt werden. Die polyglotte künftige Diplomatin wird sich dem Völkerrecht hingeben usw.

Vielleicht steht Ihnen aber auch der Sinn nach etwas Besonderem. Wir bieten einen altbewährten Studiengang im Wirtschaftsrecht und eine neue Route Medizin – Ethik – Recht an. Vom breiten Angebot der Universität möchte ich gar nicht reden. So viele Gelegenheiten finden Sie später nicht mehr, wenn Sie wieder nach Hause zurückgekehrt sind. Und so viel Zeit für Abstecher haben Sie dann auch nicht mehr. Nicht derjenige wird ein guter Jurist, der seine Nase Tag und Nacht nur in die Bücher steckt – unsere Bibliothek hat ja bis ein Uhr nachts geöffnet. Sondern Sie sollten die Universität dazu nutzen, zu reifen und sich selbst als Persönlichkeit zu bilden.

Mit der Zeit werden Sie entdecken, dass Recht Brücken schlagen kann – Brücken zwischen widerstreitenden Interessen und gegensätzlichen Standpunkten. Darin liegt, so glaube ich, die spezifische Art und Weise, in der Juristen denken und die das Fach so spannend macht. Wir sind es gewohnt, einen Fall von verschiedenen Seiten zu bedenken und stets nach Lösungsalternativen zu suchen. Deshalb werden Juristen gern in Führungspositionen eingesetzt – weil sie in der Lage sind, mehrdimensional zu denken und verschiedene Ansätze in Betracht zu ziehen. Dazu habe ich einen alten Spottvers gefunden: „Der schönste Stand auf Erden ist der Juristenstand. Nur er kann etwas werden im deutschen Vaterland. Nur er erkennt die Wahrheit. Er ist darin geübt, weil seines Blickes Klarheit Fachwissen nicht getrübt.“ Allerdings möchte ich Ihnen nicht empfehlen, auf den Rat des Verfassers zu hören. Zum Schluss heißt es nämlich: „Doch will ich dir noch raten, darfst nicht zu fleißig sein. Sonst impfst du dir den Schaden zu vielen Wissens ein. Es ist allein gescheite in Deutschland ein Jurist, wenn in jurist´schen Dingen er auch nicht Fachmann ist.“

Spätestens jetzt wird Sie kein Abgrund mehr schrecken, der sich vor Ihnen auftut. Sie werden sich herausgefordert fühlen, das Problem zu überwinden und einen Weiterweg zu finden. Studieren heißt: Mit Neugier und Eifer etwas Neues zu entdecken. Was man gern und leidenschaftlich tut, das fällt einem nicht schwer. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Freude am Gesetz!

Und wenn Sie dann in einigen Jahren das Examen bestanden haben – und auf die Welt des Rechts herunter blicken – dann ist Ihre Reise mit uns zuende.

Also, jetzt geht´s los – oder „Now´s the Time“, wie Charlie Parker sagt ...

Zum Seitenanfang